23.04.2020 (PJ)

Vor Tagen, so habe ich das Gefühl, vielleicht ist es auch vor einer Woche gewesen, vielleicht auch vor zwei, da bin ich abgetaucht und höre die Welt um mich herum, so wie ich sie höre, wenn mein Kopf in der Wanne langsam unter Wasser gleitet, nur die Nase und die Augen schauen noch heraus, und die Knie, klar, die auch, denn so groß ist unsere Wanne nicht.

Also fahre ich am Vormittag zum Zahnarzt, zur jährlichen Kontrolle, und das ist gar kein Problem, wie ich mit Erstaunen feststelle, und alles ist in Ordnung, sagt der Zahnarzt. Doch Zahnprofilaxe, nein, sagt er, das geht zur Zeit nicht. Frühestens im Sommer.
Und ich fahre am Gewandhaus vorbei und überlege einen Augenblick, die beiden zu fragen, ja, ich will sie fragen, hei, was ist mit euch? Doch ich weiß nicht, wer genau diese beiden sind. Denn heute sind es wieder vier. Und dann denke ich, es steht mir nicht zu, zu fragen, wer von euch, die ihr hier zu viert seid, sind denn die beiden, die immer hier sind? Weil es sich irgendwie anmaßend anfühlt. Und ich keine Ahnung habe, ab wann dieses immer ein immer ist, ab wann die beiden, die beiden geworden sind.

Also fahre ich weiter und als ich zur Fassade der Universitätskirche schaue, fällt mir mein Ururgroßvater ein, der ein Schlesier gewesen sein soll, aber am Rande Böhmens lebte und von sich selbst behauptete, er sei halb Hugenotte, halb Jenische. Und Berlin liebte, und vom Kreuzberg oder aus Moabit, der Stadtteil, dessen Name seinen Ursprung in der Verschmelzung der Worte muvais&habiter haben soll, brachte er folgendes kleines Märchen mit nach Hause, an den Rand Böhmens, und erzählte es gerne bei einem Glas Tokajer: Es waren einmal zwei Piraten. Gefürchtet, obwohl sie nichts taten. Sie waren ganz untätig immer. Aber Untaten sind halt viel schlimmer.