30.08.2020 (MD)

Gestern. Wir fahren nach Dresden. Und ich sitze lange an dem Bett meiner Großmutter. Es ist ein geborgtes, ein gemietetes Pflegebett, in dem sie liegt. Das Bett steht im Wohnzimmer. Ich bleibe über vier Stunden. Die sich anfühlen wie dreißig oder vierzig Minuten. So ganz anders als vor ein paar Tagen. So anders als in den letzten Wochen und Monaten, als ich nach Dresden fuhr. Als sie noch in ihrem Bett lag und wir uns unterhalten haben. Als wir über den Platz spazierten und vorbei an den Vorgärten der Einfamilienhäuser. Irgendwann ist dann dieser Zeitpunkt, dieser eine Punkt, an dem ich aufstehe und mich von ihr verabschiede. Ich weiß, sie hört mich. Und sie spürt den Kuss auf ihrer Stirn, und wie sich unsere Wangenknochen berühren, dass ich ihre Hand noch einmal drücke und vielleicht sieht sie auch, wie ich die Tür hinter mir schließe.
Später sitze ich noch lange auf unserem Balkon in Leipzig. In zwei Tagen beginnt der Herbst. Gefühlt ist er schon seit an paar Tagen in der Stadt. Die Flammen eines Lagerfeuers flackern wie in einem Bilderbuch. Und die Gesänge des Imams und der Gemeinde weiter vorn im Innenhof sind ungewöhnlich laut. Ich verstehe nicht, was sie singen, denn ich kann kein Arabisch, und auch wenn ich weiß, dass heute Abend die Feierlichkeiten der Asura-Rituale enden, spüre ich, dass es Gebete der Trauer sein müssen.