14.09.2020 (MD)

Nachts. Wieder im Hotel. Als ich die Spätschicht gestern kurz vor Mitternacht abgelöst habe, die Spätschicht ist männlich und hatte sich Anfang des Jahres vorgenommen, hier gar nicht mehr zu arbeiten, wenn der Herbst beginnt, doch jetzt fallen die Blätter bereits seit ein zwei Wochen von den Bäumen, vielleicht auch seit drei oder vier, und er arbeitet immer noch hier und erzählt mir, dass die Festangestellten trotz der Normalisierung, vielleicht meint er mit Normalisierung auch so etwas wie eine vorgetäuschte Normalität, ich weiß es nicht, auf Kurzarbeit seien. Und weiter, dass die Einnahmen in diesem Jahr so gut sind, wie lange nicht, viel besser als zur gleichen Zeit im Vorjahr und dem Jahr davor und dem Jahr davor und ja, wahrscheinlich auch dem Jahr davor. Und ich denke, das ist interessant, und, dass er dies mir wahrscheinlich gar nicht erzählen darf. Also sage ich nur: Aha! Und wünsche ihm zum Abschied eine gute Nacht. Und ich schaue durch die gläserne Schiebtür nach draußen.
Vor ein paar Tagen bin auch ich, zum ersten Mal in diesem Jahr, über die Grenze dieses Landes gefahren. Und ich weiß nicht wieso, doch ich habe Patroullien erwartet, ja, wenigstens einen Mann oder eine Frau in Uniform. Irgendwo da bei dem Häuschen, in dem früher das Geld getauscht wurde, dort hätten sie stehen müssen, habe ich gedacht, doch da war niemand. Und vielleicht stimmt es ja wirklich, denke ich, als ich das Auto so durch Jachymov steuere, vorbei an der Kirche, vorbei an dem Radium Palace, dass der Taler oder der Dollar, wie ihn manche Menschen auch nennen, gar nicht hier geprägt wurde, dass das alles nur ein Märchen, ja, eine jahrundertalte Täuschung sei.