18.03.2022 (ML)

da sitze ich also, inmitten all den menschen, es gibt getränke und gelächter, bedeutende blicke und bedeutendes sich-gegenseitig-zunicken. draußen hängen die wolken tief. auf meinen zettel steht, ich stehe am ufer und die sterne altern. ich weiß nicht, wo es herkommt. ich ziehe einen anderen aus der hosentasche: die sprache weint, wenn sie in phrasen spricht. daran denke ich oft an diesem tag, in dieser welt, die hier weiterrollt, während anderswo panzer rollen. und wieder wird geklatscht. überall und pausenlos  – in parlamenten und kirchen, bei lesungen und konzerten. und dann geht man über zum üblichen programm, reißt witze, trinkt wein. eine ukrainische autorin bricht auf der bühne in tränen aus und entschuldigt sich, dass sie den schönen abend mit ihren schweren texten stört. es sei aber gut, sagt sie, solche abende zu haben, man wisse dann, was man zu verlieren hat. wir sind betreten. natürlich. holen uns dann noch ein glas wein und vielleicht noch ein buch der autorin, bevor wir in die nacht hinaustreten. vielleicht trinken wir noch einen absacker auf dem heimweg, auf den schönen abend. und schlafen dann tief und ruhig.