Direkt unter meinem Fenster bauen drei Männer, zwei Indischer oder Pakistanischer Abstammung um die 25 bzw. 45 Jahre alt, einer ein Wurst essender Deutscher mittleren Alters, seit zwei Stunden einen Marktstand auf. Ich weiß nicht, wo sie alle herkommen. Der Stand ist noch nicht ganz aufgebaut. „Sonderverkauf Karten“ steht auf einem Schild. Auf einem anderen: „1000 Artikel“. Wer hat sie alle gezählt?
Ich bin nicht mehr in Leipzig. Längst bevor ich vor zwei Tagen Leipzig verlassen habe, habe ich aufgehört, dort oder sonst irgendwo zu sein. Deswegen habe ich auch nicht mehr geschrieben. (Ich bin aber, wohl gemerkt, nicht die einzige. Was ist aus Nick geworden? Hat jemand was von ihm in letzter Zeit gehört?)
Ich bin in Rudolstadt. Ich bin hierher gefahren, um wieder irgendwo zu sein, weil ich längst nicht mehr in Leipzig wo war. Das war keine Existenz. Nur die Wohnung zu verlassen, um Sachen für das Haus und Büro zu besorgen. Sachen, die wir zweifelhaft gebraucht haben. Ein Baby-Fahrradhelm. Eine Spülmaschine (Marke Exquisit – sie tropft von unten – kann Paul so was reparieren?). 23 abgelaufene Filmrollen. Ein Springseil. Eine Flasche medizinisches Kamillenkonzentrat (verschenkt weil schon angebrochen). Das war kein Leben. Ein Lehrbuch über autogenes Training und Auszüge aus Briefen von Nadja an Ossip Mandelstam.
Wenn ich lang genug warte, kann ich irgendwann einen der „1000 Artikel“ unten am Stand aus zweiter Hand wieder kaufen. Ich bin mir sicher, dass nichts, was heute da gekauft wird, falls heute was da gekauft wird, von der Käuferin gebraucht werden wird.